"Der Auftrag"

In diesem Einakter spielen folgende Schauspieler:

Dr. Bruno Jung - Mads Mikkelsen
die Kommisarin Scully- Hannelore Elsner
die Sekretärin - Charlize Theron
 
 

Die psychiatrische Praxis von Dr. Jung liegt am Rande der Stadt Köln. Die Praxis ist eine Villa aus dem Jugendstill und ist von alter Parkanlage umgeben. Die Inneneinrichtung der Villa ist jedoch modern. Den Empfangsbereich der Villa betritt die Kommissarin und sie geht direkt zur Sekretärin und sagt: „ Ich muss dringend mit Dr. Jung sprechen.“ Gleichzeitig zeigt sie der Sekretärin eine Polizeimarke und ein Foto. Die junge Dame hinter dem Empfangstresen schaut eine Sekunde lang das Foto an und greift  schweigend zum Hörer. Mit einer sanften und ruhigen Stimme schildert sie die Situation und wartet die Antwort ab. Sie legt gleich ab und zeigt der Kommissarin die Richtung und die Tür.  Die Kommissarin packt ihre Marke und das Foto in die Seitentasche des Mantels und geht in die vorgezeigte Richtung.
     Das Kabinett von Dr. Jung  befindet sich am Ende des langen dunklen Korridors. Die Eingangstür steht im völligen Dunkel, da hier kein Fenster eingebaut ist. Kommissarin öffnet die schwere Massivholz –Tür und geht auf den Doktor zu. Er zeigt ihr schweigend den Sessel, wo sie sich hinsetzten soll. Er selber bleibt hinter seinem alten Schreibtisch. Der Raum war dunkel und der Geruch der Pfeife liegt in der Luft.
- „ Sie wollten mich dringend sprechen, Frau…?
- „ Scully. Ja, ich habe heute einen merkwürdigen Fall bekommen. Sie können mir bestimmt helfen, Doktor.“
- „ Ach ja?“ Antwortet er fast zeitgleich und scheint desinteressiert zu sein.
Die Kommissarin sagt nichts mehr. Sie zeigt einfach ein Foto und liegt es auf dem Schreibtisch. 
Dr. Jung wirft einen Blick darauf. Im seinen Gesicht ist zu erkennen, dass er die Person erkannte. Ja, er kannte sie gut.
- „ Was ist passiert?“ Fragt er, eine leichte Vibration in seiner Stimme war zu hören, “ Ich habe Frau Wojdyla seit Jahren nicht gesehen.“ Kommissarin überhört  seine Frage und nach einer Sekunde sagt sie fordernd: 
- „ Sagen Sie mir etwas über die Krankheitsgeschichte der Frau Wojdyla.“
- „ Ungern“- Dr. Jung zeigt sich irritiert.- „ Ich unterlege der ärztlichen Schweigepflicht.“
Daraufhin antwortet die Kommissarin rasch:
„ Ich kann Sie gerne davon entbinden, Doktor Jung. Sie haben schließlich Frau Wojdyla mit Farben und Stiften gegen alle Vorschriften über Jahre beliefert.“ Dr. Jung senke kurz seinen Blick und nach einem sekundenschnellen Abwegen der Konsequenzen sagt er:
- „ Na gut, aber meine Zulassung als Arzt bleibt unberührt.“
- „ Ja,  klar, wir haben einen Deal. Also was könne Sie mir über Frau Wojdyla  erzählen, sie war doch ihre Patientin seit ihrer Kindheit.“ 
Dr. Jung steht auf und geht zu seinem Aktenschrank. Er zieht einen schweren Aktenordner aus dem oberen  Regal.
Mit einem Knall legt er den Ordner auf den Schreibtisch und blättert den Wälzer durch. 
-„ Ja, die ersten Anzeichen der schweren Kreativität kamen schon in der frühen Kindheit, so ungefähr zwischen dem ersten und dem zweiten Lebensjahr. Damals kam ihre verzweifelte Mutter zu mir:  Die kleine Maja bemalt ihr Bettzeug, Kissen und Deckchen mit den Filzmarker. Und das jede Nacht. Sie kam irgendwie immer an die Filzmarker ran. Dann mit fünf begann die kleine Maja alle Wände in der Wohnung zu bemalen. Und wieder  wusste niemand, wie sie an die Stifte und Farben ran kam.“ Der Doktor blättert weiter, die Seiten scheinen sehr schwer zu sein.“ Zwei Jahre später bemalt sie den neugekauften Wagen von den Eltern mit einem Ziegelstein. Dafür wurde sie sehr hart bestraft und die Persönlichkeitsspaltung nahm ihren Lauf.“
Der Doktor blättert weiter: „ Bis Mitte der 80er dominierte Majeczka, ein braves ruhiges Kind, dass sich nie beschwert. Majeczka unterdrückte die Majuszka, die kreative und wilde Persönlichkeit. Ich musste die Persönlichkeiten benennen um sie zu klassifizieren.“- fügt der Doktor hinzu und schaut die Kommissarin an. Sie macht sich Notizen in ihrem Heft und hört konzentriert zu. Der Doktor erzählt weiter und blättert die unzähligen Zeichnungen des Kindes. „ Also, Majuszka ist der Kern, der kreative Teil der Persönlichkeit von Frau Wojdyla. Soweit ist klar. Dann schauen wir weiter…Im Teenager-Alter kam Majka, die Majeczka verdrängte. Majka akzeptierte die Majuszka aber nur zum Teil. Mit 16 Jahren übernahm Majka die Rolle einer Erwachsenen in der Familie und kontrollierte alles. Zumindest versuchte sie es. In der Schule war sie die Vorzeigeschülerin und Schulsprecherin. In dieser Zeit kam auch zu inneren Kämpfen zwischen Majka und Majuszka. Diese Kämpfe sind nicht immer gut ausgegangen. Dann kam Ausbildung und Abitur. Majka wurde zum Produktdesigner aber sie konnte den  gelernten Beruf in Polen nicht ausüben. Der Wilde Osten des Kapitalismus Mitte der 90er in Polen, verstehen Sie, Frau Scully? - Doktor schaut die Kommissarin an, sie nickt und fügt hinzu: „ Und dann kam Frau Wojdyla nach Deutschland, stimmt´s?“
- „Ja, es stimmt. Aus Majka wurde im Ausland Majachen. Die Majachen war wie taub, sie hörte die Majuszka nicht, sie verdrängte sie fast vollkommend. Nur sehr selten kam Majuszka an die Oberfläche. Majachen war mit überleben im Ausland sehr beschäftigt. Es hat einige Jahre gedauert bis Majuszka überhaupt von Frau Wojdyla erkannt wurde. Ja… und seit ca. 5 Jahren habe ich sie nicht gesehen. Sie ist umgezogen.“ 
In diesem Moment hielt der Doktor inne und blickte aus dem Fenster. Mit einer ruhigen Stimmer sagte er dann: „Deswegen habe ich Frau Wojdyla immer wieder Farben und Stifte gegeben. Auch wenn es  sehr gefährlich war und auch gegen Vorschriften und Anordnungen anderer Ärzte, die es für sicherer hielten, Majuszka als Persönlichkeitsteil verdeckt zu halten.“
Kommissarin nickt mit Verständnis als der Doktor seinen illegalen Eingriff in den angeblichen Heilungsprozess offenlegt. Dr. Jung unterbricht das blättern und klappt den Ordner zu. Er blickt der Kommissarin tief in die Augen und fragt: „ Was ist mit Frau Wojdyla passiert?“ darauf hin Kommissarin:
„ Laut meines Informanten, hat Frau Wojdyla einen sehr dicken Auftrag bekommen. Sie hat sich in ihrem Atelier eingeschlossen. Na ja, das wäre aber nichts Ungewöhnliches.“- Hier macht sie eine Pause und beobachtet den Doktor – „ Aber sie ist verschwunden. Nur einmal pro Woche findet der Lebensgefährte auf dem Boden im Atelier immer eine fertige Arbeit.  Und wir wissen nicht welche der Persönlichkeiten gerade jetzt  dominiert. Haben sie eine Idee, Doktor?“ Der Doktor starrt die Kommissarin an, anscheinend hat er  mit solcher  Entwicklung nicht gerechnet. „ Wer ist der Auftragsgeber?“ fragt er rasch. Die Kommissarin senkt ihre Stimme: „Man vermutet: Gott.“ Dr. Jung zündet eine Zigarette an, seine Hände zittern leicht dabei. Er zieht an der Zigarette und lässt langsam den Rauch aus dem Mund raus und sagt: „ Dann muss das der jüngste Persönlichkeitsteil sein, der Majuszka ganz integriert hat: Maja Papst.“
Kommissarin schweigt. Sie klappt ihr Notizbuch und packt es in Ihre Seitentasche im Mantel ein. 
Sie bedankt sich beim Doktor und verlässt das Kabinett. Beim Vorbeigehen an der Sekretärin sieht sie in einem der dunklen Korridore große Gemälde hängen. Die Sonne hat im Laufe des Tages ihre Position gewechselt und erst jetzt konnte sie es erkennen, von wem sie waren. Ruhigen Schrittes verlässt sie die Villa.
Dr. Jung blickt durch das Fenster und beobachtet die gerade ausgehende Kommissarin. Seine Hände zittern nicht mehr. Ein Lächeln erstrahlt sein Gesicht. Ja, sein Werk ist vollbracht.
 
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